Interview mit Eike “Isabelle” Kuhse
Letztes Jahr zur Weihnachtszeit hatte der checkpoint queer (CP) zu einer Verlosungsaktion aufgerufen. Verlost wurden 24 kleine aber feine Unikate mit schönen Motiven, die zum Nachdenken anregen. Wir vom checkpoint queer wollten mehr über den talentierten Künstler erfahren, der diese Werke zur Verfügung gestellt hat und haben Eike -Isabelle- Kuhse (EIK) befragt. Das Interview wurde von Benjamin Pachl geführt.
CP: Meine 1. Frage an Dich startet gleich etwas persönlich: wie würdest Du Dich selbst in wenigen Worten beschreiben?
EIK: Ich würde mich als unglaubwürdig introvertiert, erschreckend snobbisch und glücklicherweise selbstreflektiert beschreiben.
CP: Danke für Deine Offenheit, das hört sich nach einem sehr interessanten Charakter an.
Wenn ich das richtig gesehen habe kommst Du aus einer Kleinstadt in der Pfalz, aus Neuwied.
EIK: In Neuwied bin ich nur geboren. Meine ersten zwei Jahre habe ich in einem noch kleineren Kuhdorf irgendwo in der Nähe von Neuwied verbracht, bis meine Mutter dann mit mir hierher nach Lüneburg gezogen ist.
CP: Dann kann man sagen das Du ein Lüneburger durch und durch bist?
EIK: Durch und durch würde ich nicht sagen, aber es fühlt sich auf jeden Fall an wie Heimat.
CP: Wie kamst Du dazu, Kunst zu Deiner Berufung zu machen?
EIK: Ich habe schon immer viel gemalt und gezeichnet. Eigentlich seit ich einen Stift halten konnte. Und mit Übung wird man eben auch immer besser und Übung hatte ich so ja genug. Was vielleicht an Grundvoraussetzungen für die Freude am kreativen Gestalten auch nicht gerade schädlich war, ist mein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Ich glaube es gibt immer einzelne Aspekte, in denen Leute besonders gut sind, die eben bestimmte Karrieren oder Leidenschaften begünstigen. Bei mir war es sicher das räumliche Vorstellungsvermögen das dazu geführt hat, dass ich immer viel Freude am Malen und Basteln hatte.
CP: Kannst Du gut von Deiner Kunst leben?
EIK: Da gibt es eine ziemlich klare Antwort: Nein. Wenn ich Glück hab, dann komme ich mit den Kosten fürs Atelier am Ende des Jahres bei Null raus. Ich bin ein ganz schlechter Netzwerker und der Kunstmarkt und generell die ganze Selbstvermarktung sind für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Ich freue mich über jede Ausstellung und jedes verkaufte Bild, aber meinen Lebensunterhalt sichere ich durch einen Nebenjob. Das hat den großen Vorteil, dass ich im Atelier machen kann was ich will und mir keine Gedanken darum machen muss was sich gut verkaufen lässt oder ob ich meine Miete zahlen kann.
CP: Demnach hast Du den Luxus die Kunst ohne große Beschränkungen frei auszuleben? Nimmst du auch Aufträge an?
EIK: Na ganz unbeschränkt bin ich da auch nicht. Mit dem Preisgeld vom Kulturförderpreis 2019 habe ich in unserem alten Atelier eine riesige Rauminstallation gebaut. Sowas kann ich nicht ständig machen, selbst wenn ich wollte. Der Krempel war teuer und ich wüsste gar nicht wo ich das Material lagern sollte, wenn ich nicht gerade irgendwo ausstelle. Aber abgesehen davon bin ich ziemlich frei, weswegen ich auch prinzipiell keine Aufträge annehme, es sei denn, jemand bittet mich als Freund oder ich habe richtig große Lust auf das Projekt. Aber nicht einfach fürs Geld.
CP: Gibt es Künstler, die Dich beeinflusst haben oder sogar Vorbilder sind?
EIK: Es gibt viele Künstler die ich spannend finde und die mich beeinflussen. Lucian Freud, Louise Bourgeois, Maurizio Cattelan um ein paar Beispiele zu nennen. Aber noch viele mehr.
CP: Bei Deinen Werken, die Du zumindest auf Deiner Webseite hast, lässt sich gut ein persönlicher, künstlerischer Stil erkennen, auch wenn du dich an verschiedensten Techniken ausprobierst. Wo würdest Du Deinen persönlichen Lieblingsstil einordnen?
EIK: Es ist offensichtlich, dass mir Abstraktion nicht liegt. Ich würde mich also in der gegenständlich/figürlichen Richtung mit albern surrealen Einschlägen verorten.
CP: Ich finde Du brauchst Dein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, es scheint als wärst Du sehr an einer Art abstraktem Realismus bis hin zum Surrealismus, oftmals mit räumlicher Tiefe, fasziniert. Was Dir auch in beeindruckender Weise auf Leinwand oder Karton gut gelingt.
EIK: Oh vielen Dank! Wenn ich etwas von der Kunsthochschule mitgenommen habe, dann dass man als Künstler, wenn möglich nie über die eigenen Kunstwerke reden sollte. XD
CP: Ich habe beim Studieren Deiner öffentlichen Werke festgestellt, dass Du Dich thematisch oft mit der Natur, Gebäuden und Objekten im Raum und deren Beziehung zum Menschen beschäftigst. Ebenso mit dem Kreislauf des Lebens. Welche Botschaften stecken in Deinen Werken? Was möchtest Du dem Betrachter vermitteln? Zum Beispiel mit einem Werk von diesem Jahr, Öl auf Leinwand: Ein Haus aus dessen Innerem gelbe Nesselgewächse sprießen?
EIK: Diese Frage ist schwierig bis unmöglich zu beantworten. Auf jeden Fall liegen meinen Bildern keine expliziten Botschaften zu Grunde. Könnte ich etwas wie einen Appell formulieren, dann würde ich das machen und es nicht umständlich in einem Bild verpacken. Meine Bilder kommen mir so in den Sinn und dann führe ich sie aus. Wenn die Arbeiten dann fertig sind, bin ich wie jeder andere Betrachter auch am Rätseln was denn da auf der Leinwand passiert. Vielleicht habe ich eine bessere Einsicht in meine Biografie und mein gesamtes Schaffen um Fragen wie, warum denn gerade die Goldnessel und warum immer wieder Häuser auftauchen, zu beantworten. Aber wenn das Bild fertig ist, bin ich auch nur noch ein Betrachter, der interpretiert.
CP: In welcher Beziehung stehst du zum Checkpoint Queer bzw. wie bist du zum Checkpoint Queer gekommen?
EIK: Ich habe Lüneburg 2006 verlassen, als ich für das Studium nach Saarbrücken gezogen bin. Damals gab es auch schon eine queere Community und LGBTQ+ Institutionen hier in Lüneburg, auch wenn man damals sicher eher von schwuler Szene und BLIST die Rede war. Ich war damals aber noch viel zu schüchtern, um irgendwas davon zu nutzen. Jetzt hole ich das alles nach und freue mich sehr über den Checkpoint, den ich als Anlaufstelle für vielerlei Fragen und niederschwellige Möglichkeiten um sich untereinander zu verbinden, empfinde.
CP: Was bedeutet queer für Dich?
EIK: Ich liebe den Begriff queer. Ich bin zwar kein riesiger Fan von Anglizismen, aber ich finde es toll, dass sich dieser Begriff durchgesetzt hat als ein Wort, das kein gestelztes Akronym ist und trotzdem viele Facetten des Lebens abseits der heteronormativen Lebensrealität der meisten unter sich vereint. Für mich bedeutet queer zu sein, dass ich die Freiheit habe, einfach zu machen was ich will, ohne dafür gleich ein Fähnchen parat zu haben, mit dem ich das, was ich tue benenne. Ich bin ein schwuler Cis-Mann der mal mehr, mal weniger in sein Tunten-Alter-Ego driftet, aber eigentlich bin ich einfach queer.
CP: Kann man dein Atelier aufsuchen, wenn Interesse an deiner Kunst besteht?
EIK: Ich teile mir den Arbeitsplatz mit drei weiteren Künstlerinnen. Sandra Schröder, Alexandra Uhle und Iris Schmidt. Zusammen sind wir die Farbkantine und man findet uns direkt hinter der Nikolaikirche in der Lünerstr. 6-7. Es gibt keine festen Öffnungszeiten, aber wenn man sieht, dass gerade jemand da ist kann man jederzeit klopfen und mal bei uns reinschnuppern. Termine für Ausstellungen finden sich immer auf meiner Internetseite unter www.eikekuhse.wordpress.com.
CP: Ich danke dir für das schöne und sehr interessant Interview und wünsche Dir noch angenehme Weihenachtstage und einen guten Rutsch.
EIK: Ich danke Dir für Dein Interesse und wünsche allen viel Freude mit den Drucken aus eurem Adventskalender und ebenfalls angenehme Feiertage und alles Gute für das kommende Jahr.